Erzengel Michael Weg, Teilstück Sulmona – Monte Sant‘Angelo

Diese Tour führt mitten aus der Gebirgslandschaft der Abruzzen stetig südwärts zu einem der ältesten Pilgerziele Italiens, dem Monte Sant’Angelo mit der Grotte des Erzengels Michael. So nebenbei kommt nimmt man den für die Italiener wohl wichtigsten Pilgerort, San Giovanni Rotondo, dem Zentrum des Lebens und Wirkens von Padre Pio, mit.

Die Herausforderung dieses Weges liegt vor allem in seiner Abgeschiedenheit mit kaum vorhandenen Markierungen oder anderen Wegzeichen. Die vorhandene Beschreibung von Angela Maria Seracchioli, die mit diesem Weg den Franziskusweg nach Süditalien fortsetzt, ist jedoch zusammen mit einigen brauchbaren Informationen aus dem Internet ausreichend, um ohne größere Umwege zum Ziel zu kommen. Zudem sind die Unterkunftsgeber in den Dörfern allesamt sehr hilfreich und stehen einem mit Rat und Tat zur Seite. Der Weg folgt vor allem in den Abruzzen und der Molise oft den alten „tratturi“ der Transhumanz. Diese breiten Schneisen durch die Landschaft wurden angelegt, um die jahreszeitlich bedingten Wanderungen von Vieh und Mensch zwischen Apulien und den Sommerweiden in den Abruzzen zu ermöglichen. In weiten Bereichen gibt es diese Routen noch, wennauch oft sumpfig oder verwachsen und zu einem schmalen Pfad reduziert. Aber sie führen durch herrliche Landschaften, oft einsam und verlassen, um dann gegen Ende einer Tagesetappe zielsicher zu einem Ort mit Verpflegung und Nächtigungsmöglichkeit zu führen.

Anreise: Am besten von Rom mit der Bahn mitten hinein in die Abruzzen. Die Fahrt auf der doch kurvigen und rumpeligen Strecke ist schon ein kleines Erlebnis. Für Sulmona selbst sollte man sich einen Tag reservieren. Die Geburtsstadt von Ovid sowie der Wirkensort von Papst Cölestin V., der gegen seinen Willen mit fast 80 Jahren als Papst ausgerufen wurde, und nach knapp 3 Monaten Amtszeit die Papstwürde zurücklegte und als „Dank“ dafür seine letzten Jahre bis zum Tod im Gefängnis verbringen musste. Neben der Stadt selbst ist die nahegelegene stillgelegte Abtei Santo Spirito und die hoch über dem Tal liegende Einsiedelei Sant’Onofrio (die Wirkungsstätte von Pietro da Morrono (Cölestin V) einen Besuch wert. Nicht zu vergessen sind natürlich die Confetti, feinste Mandeln, überzogen mit Schokolade, Zuckerguss in allen Farben und geformt zu den schönsten Kunstwerken.

Nächtigungsmöglichkeiten gibt es in Sulmona viele, empfehlenswert ist das von Paolo geführte B&B L’Annunziata direkt in der Altstadt (338/9494940).

Tag 1: Sulmona – Pescocostanzo

Den Angaben unseres Pilgerführers folgend verlassen wir Sulmona in süd-östlicher Richtung Friedhof. Achtung, die im Buch in der Ausgabe 2015 angeführte Variante B beginnt ca. 1 km nach dem Friedhof in einer Linkskurve – rechts führt die Schotterstraße mit dem Weg das Tal hinein (gelben Pfeil beachten); die Darstellung in der Karte im Buch stimmt hier nicht! Variante B ist auf jedem Fall gegenüber A der Vorzug zu geben. Noch besser wäre es jedoch bereits kurz vor dem Friedhof den markierten Wanderweg rechts den Hang hinauf zu folgen. Diese kommt etwas östlich der römischen Ausgrabung „Ocriticum“ wieder mit Angelas Variante B zusammen. Wir folgen Variante B durch Olivenhaine bis kurz vor dem Talschluss der Weg in einen steilen Pfad übergeht, der links schweißtreiben so an die 200 Höhenmeter hinaufführt. Oben angekommen hat man einen sehr schönen Blick zurück auf Sulmona und das östliche Majella Massiv. Nun geht es in konstantem auf und ab, aber immer leicht ansteigend, der weiten Schneise einer Gasleitung folgend zur Ausgrabungsstätte Ocriticum. Kurz nachher trifft man auf jenen Wanderweg, der von Sulmona vom Friedhof abzweigend heraufführt. Auch dieses Tal endet und führt in einer Steilstufe zum geschlossenen Refugio Majella (direkt an der Straße und wenig einladend) und weiter hinauf ins Hochtal von Pescocostanzo. Hier mündet der Steig in eine Straße bis zum Refugio/Restaurant „Il-faggeto“, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Gleich danach führt der Weg in den uralten Buchenwald Sant’Antonio – ein Juwel mit uralten knorrigen Bäumen. Nach der gleichnamigen Einsiedelei (war geschlossen) geht es auf der Hauptstraße beidseitig eingesäumt zwischen grasbewachsenen Bergrücken dem Ziel entgegen. Der Gegend ist anzumerken, dass wir bereits in einer Höhe von 1300 m sind, somit hat man von Sulmona an diesem Tag schon 900 Höhenmeter überwunden. Knappe 2 km vor dem Ziel bleiben wir jedoch am östlichen Talrand und haben das schon sichtbare Kirchlein der Einsiedelei San Michele (ebenfalls wie das Ziel am Monte Sant’Angelo eine Felsenkirche) als Ziel. Pescocostanzo liegt auf der anderen Talseite knappe 3 km entfernt, jedoch ca. 150 m über dem Talboden. Die Verlockung direkt über die saftig grünen Wiesen zu gehen ist groß und würde – wenn man den Kontakt zum Rindvieh nicht scheut – auch eine merkliche Zeitersparnis bringen. Trügerisch ist jedoch der Boden, der durch die Regenfälle in den Wochen davor – trotz des schönen Wetters, das uns begleitet – mehr Sumpf als Wiese ist. Schnell geht es zurück auf die Schotterstraße, quer durch das Tal und steil ansteigend die letzten Meter hinauf ins Dorf.

Im B&B „La Rua“ (0864/640083) werden wir schon erwartet. Die Wirtsleute sind wiederum mehr als hilfreich und versorgen uns mit allen nötigen Informationen über den Ort und den Weiterweg.

Weglänge: Sulmona – Pescocostanzo ca. 25 km ca. 1.100 hm, reine Gehzeit 8.5 Stunden

Charakteristik der Etappe: Schöne Wald- und Wiesenwege, tw. Schotterstraße, am Anfang und Ende Asphalt.

Tag 2: Pescocostanzo – Ateleta

Auch für diesen Tag gibt Angelas Führer zwei Varianten vor. Eine über Rivisondoli und Roccaraso nach Pietransieri, die zweite durch Felder, Wiesen und Wälder (Variante B). Luigi vom B&B La Rua rät uns ab, Variante B zu nehmen, da der Weg noch viel zu nass ist und man im Fango (Schlamm) versinkt. Also wählen wir die Asphaltvariante. Bei Sonnenschein geht es über Nebenstraßen durch die in Juni verwaisten Winter- und Sommersportorte. Teilweise ist es wie zuhause außerhalb der Saison. Geschlossenen Appartementburgen und Hotels in Rivisondoli und Roccaraso, vermitteln einen etwas traurigen Eindruck, ganz anders als am ersten Tag, wo man in der Abgeschiedenheit der Wälder dahinzog. Erst nach Roccaraso verlässt man der Provinzstraße SP 84 folgend wieder das Tal und kommt in entlegenere Gebiete. Nach 3 Stunden Gehzeit erreichen wir den einsamen Ort Pietransieri mit einem kleinen Lebensmittelgeschäft und zwei Bars, womit die Mittagspause gesichert ist. Stetig abwärts der kaum befahrenen Provinzstraße folgend erreichen wir Ateleta, wo wir bereits im B&B Colle Sisto (366 3757372) erwartet werden.

Weglänge: Ca. 20 km leider (fast) alles Asphalt, aber auf ruhigen Nebenstraßen, ca. 300 hm rauf und 700 hm runter.

Tag 3: Ateleta – Carovilli

Auch dieser Tag beginnt mit Asphalt. Von der Piazza XX Septembre der Via Sangrina folgend, gelangt man auf die alte Staatsstraße. Vorbei am Friedhof, unter der neuen Staatsstraße durch geht es ca. 4 km bis zur Abzweigung nach San Pietro Avellana. Im Übrigen verlässt man auf diesem Teilstück die Provinz Abruzzen und betritt das weitaus weniger bekannte, grüne Molise. Nun entlang der Provinzstraße SP 87 hinauf nach San Pietro in eine sehr trüffelreiche Gegend. Nach ca. 5 km ab der Abzweigung, am Beginn der Kehren für den letzten Anstieg, gäbe es einen Karrenweg, den wir leider übersehen haben. In San Pietro Avellana angekommen empfängt einen neben der Kirche SS Pietro e Paolo ein Brunnen mit reichlich und kühlem Wasser. Einige Bars, ein kleiner Markt und eine Fleischhauerei gewährleisten die Versorgung für den Weiterweg. Gleich nach dem Ort führt ein Schild zur Einsiedelei Sant’Amico. Bei den ersten Pfosten die den „Tratturo“ markieren geht es gleich links hinein in eine Mischung aus Wiese, Gestrüpp und hauptsächlich Kuhweide. Hier lernen wir die „Probleme“ eines Tratturos nach längeren Regenfällen kennen. Obwohl es seit Tagen schön ist, hat der verregnete Frühling seine Spuren hinterlassen. Der Boden ist tief und tw. versinkt man bis zu den Waden (und manche darüber) im „Gatsch“. Angela schreibt zwar, dass das erste Stück im Frühjahr und nach Regenfällen sehr matschig ist, wir hatten es unterschätzt. In solchen Fällen empfiehlt es sich auf der Provinzstraße zu bleiben, auf die man spätestens bei der aufgelassenen Bahnstation San Pietro Avellana sowieso zurückgekommen wäre. Hier die linke Straße wählen, leicht ansteigend einige hundert Meter und dann geht es rechts in den Tratturo Celano-Foggia, der nun trocken durch die Wiesen und Wälder ostwärts führt. Teilweise ist der Weg schon wieder relativ zugewachsen (dornenreiches Gestrüpp), teilweise neu ausgeputzt, aber immer gut ersichtlich. In einem stetigen auf und ab führt der Weg über an einem Brunnen vorbei zum Colle Mandrone und ostseitig wieder hinab. Achtung beim Abstieg, nach kurzer Zeit wird ein Forstweg und Parkplatz erreicht. Hier nicht dem Drang der guten Straßen nachzugehen, sondern links einen versteckten Pfad folgen. Der Wegweiser war zu unserer Zeit leider umgestürzt. Der Weg ist tw. „gut“ verwachsen, aber mit ein paar Kratzern problemlos begehbar. Nach einiger Zeit kommt man auf eine Asphaltstraße, der man kurz folgt (Brunnen), dann aber sofort wieder in die „Natur“, am Ende relativ hoch über dem Tal entlang. Die Blumenpracht in diesem Teil – vor allem den letzten 3-4 km - ist überwältigend. Am Ende steht aber dann ein kurzer steiler Abstieg an, bevor man am alten Waschhaus von Carovilli Bach und Eisenbahn überquert und die letzten Meter wiederum steil hinauf zum Dorfzentrum (Kirche und zwei Bars) zu gelangen.

Für die Nächtigung bietet sich das B&B La Dimora del Sergente (333 2784857) an. Der Hausherr Avio versorgt einen auch bestens und hilft bei der weiteren Planung.

Weg: Ca. 25 km mit 600 hm rauf und in etwa gleichviel runter, zuerst Asphalt (ca. 2 .5 Stunden), dann aber dank des Tratturos immer durch die Botanik. Nach dem vortägigen Asphalthatscher eine richtige Wohltat.

Tag 4: Carovilli – Castropignano

Nachdem wir nicht genügend Zeit für eine durchgehende Wanderung bis zu unserem Zeil hatten, mussten wir wohl oder übel Teilstücke mit dem Auto zurücklegen. Das Teilstück bis nach Castropignano wäre nicht an einem Tag zu Fuß erreichbar.

Die ersten 9 km nach Pescolanciano folgt der Weg zuerst wieder dem Tratturo. Es geht vom Dorfplatz hinauf zur Kirche San Domenico. Auf der anderen Seite wieder hinab, zuerst über eine Wiese, dann der Straße folgend. Nicht übersehen sollte man nach ca. einer Stunde die Abzweigung links hinauf zu einem kleinen Bauernhof mit pflichtbewussten Wachhunden. Es geht jedoch links am Hof vorbei, steil aufwärts. Dieser Weg führt dann wieder zu einer Schotterstraße (links halten) und ostwärts direkt von oben kommend nach Pescolanciano hinein (netter Ort mit ebenso netten Bars). Die 30 km von hier nach Sant’Elena Sannita konnten wir mit Avios Hilfe per motorisiertem Untersatz zurücklegen, der Weg wäre zwar durch eine sehr schöne Landschaft aber leider immer auf der Provinzstraße gegangen.

Von Sant’Elena Sannita geht es am Fußballplatz vorbei über einen Hügel abwärts bis zu einer Kreuzung, bei der sich die Straße dreiteilt. Der mittleren – eher einem Karrenweg – eingebettet zwischen Bäumen folgend immer bergab, am gegenüberliegenden Hang sieht man bereits das „Zwischenziel“ Casalciprano. Aber wie gesagt, zuerst über 200 hm hinab, die SP42 querend und dann gleich wieder etwas über 100 hm rauf in den wunderschönen Ort. Leider kamen wir gerade in der Zeit der allgemeinen Nachmittagsruhe an, alle Restaurants und Bars waren zu. Wir hatten jedoch ungeheures Glück, ein lokaler Fernsehsender machte eine Reportage über den Ort. Der Mittagsempfang war in vollem Gange und wir als hungrige Pilger wurden mit offenen Armen zu exzellenten lokalen Köstlichkeiten und noch besseren Wein eingeladen. Der Abschied vom Mahl viel uns schwer, zum einen wegen der empfangenen Gastfreundschaft (die vielen angebotenen Nachspeisen konnten wir beim besten Willen nicht mitnehmen) und zum anderen wegen des zu viel an Essen und Trinken.

Gleich nach dem Dorf geht es am Friedhof vorbei wieder hinab ins Tal bis zu einem Sportplatz. Dem Abstieg (100 hm) folgt umgehend wieder ein Anstieg von 200 hm, nun jedoch tw. völlig verwachsen. Erst weiter oben kommt man wieder auf eine Schotterstraße. Immer am Hügelkamm entlang geht es durch Wiesen und Felder, bis man unter sich Castropignano erblickt. Die Provinzstraße 169 wir überquert und entlang dem Tratturo Castel die Sangro – Lucera geht es zunächst weglos und dann über einen Pfad zwischen Ginster und anderem Gestrüpp der Ortschaft zu.

In diesem Ort hat uns das Glück bezüglich Nächtigungsmöglichkeiten etwas verlassen. Das im Führer angeführte B&B war leider ausgebucht und so hat es uns in ein 500 Betten 4* Haus verschlagen, nach den vorherigen Nächtigungsmöglichkeiten ein Hammer, noch dazu, wo die vergebenen Sterne völlig überbewertet waren. Die die 200 m entfernte Pizzeria entschädigte uns jedoch zumindest in kulinarischer Hinsicht gänzlich.

Weg: In Summe ohne Fahrstrecke ca. 27 km mit ca. 700 hm auf und ab. Der Weg führt großteils über Wiesen oder Schotterstraßen, lediglich Teilstücke sind Asphalt

Tag 5: Castropignano – Tore

Heute hat uns das Wetterglück verlassen. Auf den Sonnenschein und die Wärme der letzten Tage folgt nun Nieselregen, Wind und es ist relativ kalt. Wir verlassen Castropignano und gehen gleich in der ersten kehre hinter dem Postamt zur Via Biferno hinunter – alternativ geht es auch gleich bei den letzten Gebäuden die Via Eugenio Cirese hinein. Am Ende rechts einem Schotterweg folgend steil hinunter. Zweimal die Staatsstraße querend erreicht man am Talboden eine kleine Jakobskapelle. Die 250 hm hat man relativ rasch vernichtet. Sobald die Staatsstraße erreicht ist links halten und nach 500 m rechts über die Brücke ponte-tre-archi über den Biferno. Die erste Kreuzung rechts haltend, dann bei der nächsten Abzweigung wiederum rechts in einen Schotterweg, der relativ eben zu einem kleinen Haus führt. Nun geht’s wieder recht zügig 250 hm bergauf nach Santo Stefano. Die Schotterstraße windet sich durch Äcker, nach dem ersten steileren Anstieg finden sich Infotafeln zur Tratturo und der Transhumanz. Kurz danach würde der Pfad gemütlich ansteigend in direkter Linie nach Santo Stefano führen. Der permanente Nieselregen hat den Lehm jedoch so richtig aufgeweicht und bei jedem Schritt bleibt ein gefühltes Kilogramm davon an den Schuhen hängen. Irgendwie geht man auf schweren, wackeligen Stelzen, die immer höher werden. Daher entscheiden wir uns für einen Umweg und bleiben auf der Schotterstraße. Diese führt zuerst nordwärts in einigen Kehren den Hang weiter hinauf, um in einem weiten Bogen dem Ort zuzustreben. Am östlichen Ortsende führen die beiden Wege wieder zusammen. Auf oder neben der Straße geht es weiter immer leicht ansteigend über den Colle Caruso zum höchsten Punkt am Colle Faccenda. Der Regen hat ausgesetzt, dafür bläst ein lästiger, kalter Wind, der am Rücken der Hügel so richtig gut zur Wirkung kommt. Nun geht es weiter der Provinzstraße 90 folgend. Die Kehre bei der Contrada Covatta könnte man abkürzen (rechts dem Feldweg folgend), aufgrund der schon beschriebenen Bodenbeschaffenheit auf nassen Feldwegen bleiben wir aber liebend gerne auf der Straße. Autos fahren zumindest an diesem Tag – einem Sonntag – sowieso keine. An der nächsten Abzweigung links haltend hinunter nach Ripalimosani. Im Ort die Stiegen hinunter zum Dorfplatz und der Kirche. Nach drei Stunden Marsch ohne nennenswerte Pause – der Regen und der Wind haben uns alle Gelüste auf ein lauschiges Picknick vertrieben – knurrt nun der Magen, was Warmes wäre schon sehr erfreulich. Die Bar, die wir finden, bietet jedoch nur kalte Getränke, Nüsse und Chips. Als jedoch ein Lokalbesucher unser Anliegen nach einem warmen Mittagessen mitbekommt, werden umgehend zwei Fahrzeuge organisiert und unsere Viererbande ausgehungerter Wanderer sofort zur nächsten 2 km entfernten Pizzeria an der Straße nach Campobasso gefahren. Kaum, dass bei uns jemand auf so einen Gedanken kommen könnte, die Hilfsbereitschaft in Italien ist jedoch was anderes.

Das Mittagessen in der Nähe des herrlich warmen Pizzaofens, der gute Rotwein und draußen Regen und starker Wind überzeugen uns, dass es besser wäre mit einem Taxi aus dem nahen Campobasso die Weiterreise durchzuführen. Gesagt, getan und schon saßen wir – nicht pilgergerecht – in einem Taxi. Mit dem Taxi kam aber auch eine merkliche Wetterbesserung, sodass wir die letzten Kilometer nach Toro dann doch wieder zu Fuß zurücklegten. War auch gut so, denn kaum nachdem das Taxi verschwunden war, kann uns auch schon unser „Herbergsvater“ der heutigen Nacht in Toro suchend entgegen. Irgendwie scheinen die „Standardpilger“ zügiger unterwegs zu sein und sich nicht so leicht von der italienischen Kulinarik ablenken zu lassen.

Das B&B Cola Fasciano in der Via Roma in Toro (0874 441242) war sicherlich das Highlight aller Nächtigungsmöglichkeiten auf unserem Weg. Sehr liebevoll renovierte Räumlichkeiten in einem alten Haus und Fernando ist sowieso der freundlichste und hilfsbereiteste Wirt weit und breit.

Weg: Castropignano – Ripalimosani ca. 16 km mit ca. 300 hm auf und ab. Der Weg ist je zur Hälfte Schotter und Asphaltstraße mit kaum Verkehr. Ripalimosani – Toro 15 km (bis auf die letzten 3 km Autofahrt).

Tag 6: (Toro)/Pietracatella – San Marco die Catola/San Cristoforo

Um unseren Zeitplan halbwegs einzuhalten überspringen wir die Etappe von Toro nach Pietracatella mit Hilfe Fernandos fahrbarem Untersatz. Trotz dieser Hilfe steht eine der längsten Etappen des Weges an. Dem gestrigen Regenwetter ist der übliche Sonnenschein gefolgt und der Tag verspricht wieder so einiges an Wärme bereitzuhalten.

Knappe 3 km südostlich des Ortes auf der SS212 beginnen wir den heutigen Tag (Trafostation bei der Contrada Macchia del Rosso). Zuerst geht es auf einem Asphaltweg südsüdostwärts weiter (von der SS212 links weg und kurz danach gleich rechts – südlich - auf die SP 115), der in einen Schotterweg übergeht und leicht ansteigend auf einen Hügelkamm führt. Linker Hand sieht man den Occhito Stausee. Diesen Weg weitergehen, bis rechter Hand am Beginn eines Waldstückes ein verlassener und verfallener Stall auftaucht. Hier geht es vor dem Gebäude rechts einen Pfad hinunter (gelber Pfeil an einem Betonmasten). Der Einstieg in diesen Pfad ist ziemlich verwachsen, es wird jedoch relativ rasch besser. Schlussendlich gelangt man auf einen Schotterweg, der durch einen Wald abwärts führt. Bei einem abgelegenen Garten geht es durch Wiesen und Olivenhaine weiter hinunter bis zur Asphaltstraße und auf dieser ca. 1.5 km hinab ins Tal. Bei einer Brücke über den Toppino könnte man gemäß Angelas Führer auf dem Tratturo dem Fluss folgen. Angesicht des kopfhohen dichten Buschwerkes bleibt dann doch nur die Straße (SS645). Nach etwas mehr als einem km kann man nordseitig auf eine schöne weite Wiese ausweichen. Am östlichen Ende dieser Wiese – im Bereich der Tankstelle und Bar „13 Archi“ empfiehlt es sich wieder auf die Straße zu wechseln. Den ausgewiesenen Tratturo hat sich die Natur zurückgeholt. Der nächste Kilometer ist relativ unangenehm, da hier die Straße tw. auf Stelzen verläuft und nicht verlassen werden kann. Den Autofahrern sind die Wanderer ziemlich egal. Bei der nächsten Kreuzung geht es aber gleich links weg. Über die Brücke 13 Archi verlässt man Molise und wir sind nun in der Region Apulien. Der Weg führt nun über die alte aufgelassene Straße parallel zur Staatsstraße ca. 3 km bis zu einem Zementwerk.

Hier beginnt nun ein sehr schöner aber auch anstrengender Anstieg in Richtung San Marco la Catola. Abweichend zur Beschreibung in Angelas Führer folgt man jedoch nicht der Provinzstraße, sondern bei einem der wenigen Wegweiser einem Feldweg nordwärts (ca. 200 m vor der Straße nach San Marco). Dieser Weg ist zwar merklich länger, jedoch ungleich schöner. Nach einem kleinen Wäldchen folgt sein steiler Anstieg hinauf zu einem verfallenen Bauernhof (Masseria Fascia), ca. 200 hm über dem Talboden. Wer glaubt nun hat man‘s geschafft, wird bald eines besseren belehrt. Wiederum steil ansteigend, jetzt jedoch ostwärts dem Ziel zu, geht es nochmals 200 hm hinauf. Wir hatten da zur Mittagszeit die Sonne im Rücken und den Schweiß nicht nur auf der Stirn. Aber alles hat mal ein Ende und kaum erreicht man die Straße ist der Ort San Marco la Catola auch schon erreicht. Die 400 m Anstieg haben es in sich und so wird gleich die erste Bar in der Via Principe di Napoli um einige Getränke erleichtert. Dies erwies sich als sehr weiser Entschluss, da die Bar auch die einzige im Ort zu sein schein.

San Marco la Catola ist zwar einladend, aber leider noch nicht das Ziel. Vom oberen Dorfende geht es weiter der SP2 folgend immer mit schöner Sicht zuerst Richtung Norden, um dann nach 3 bis 4 km der SP1 (Schild Agriturismo Avellaneta) Richtung Osten zu folgen. Am Ende eines Waldstückes, nach einer Serpentine, geht es hinunter zum Ziel dieser Etappe, dem Biohof Avellaneta (0881 556115). Der Hausherr Renato ist – wie eigentlich alle unsre Wirtsleute entlang dieses Weges – sehr auf unser Wohl bedacht.

Weg Pietracatella – San Marco die Catola/San Cristoforo: ca. 27 km. Zuerst auf ca. 10 km 500 hm runter, schöne Schotter und Feldwege, dann ca. 4 bis 5 km flach mit Asphalt und tw. Staatsstraße. Auf den nächsten 5 km 650 hm rauf auf sehr schönen Wegen mit herrlicher Aussicht und 0% Sonnenschutz. Die nächsten 5 km leicht ansteigend (100 hm) auf schwach befahrener Provinzstraße (Asphalt), bevor es noch ca. 1 km auf Schotter zur Avellaneta 50 hm runtergeht.

Tag 7: San Cristoforo – Castelnuovo de Daunia

Nach dem anstrengenden Vortag bietet der heutige Tag etwas Erholung. Nachdem die Hunde der unserer Herberge eine etwas lustige Nacht hatten, ging es etwas verschlafen nach einem guten Frühstück wieder weiter. Zurück zur Provinzstraße, kurz rechts haltend und dann gleich links eine Forststraße und rechts haltend über einen Weg hinauf durch einen Föhrenwald. Auf einer Höhe von 8 bis 900 Metern über dem Meer geht es dem Kamm folgend (eine lange Strecke immer den Zaun entlang) durch den Wald bis zu einer Kreuzung mit 4 (eigentlich 5) Wegen. Hier dem CAI Schild folgen, dann nach einem kurzen Abstecher auf der Straße gleich wieder links in den Wald. Nach ca. 10 Minuten geht der „offizielle“ Weg (gelber Pfeil) rechts ab, ist aber ziemlich verlassen. Wir folgen dem schönen Waldweg – und sparen dabei einige Höhenmeter – und kommen nach einiger Zeit wieder mit  dem offiziellen Weg zusammen. Der Weiterweg führt steinig bergab auf einer ausgewaschenen Forststraße. In einer Linkskurve – schon relativ weit unten – befindet sich eine leicht übersehbare Abzweigung, die rechts in den Wald und in einem Auf- und Ab durch den Wald hinaus auf Felder (verfallenes Bauernhaus) führt. Der Feldweg führt nun steil bergab – gegenüber liegt bereits die Ortschaft Castelnuovo. Zuerst aber steil nochmals 200 hm hinab und anschließend am Gegenhang sofort wieder die 200 hm sanft hinauf, ehe es flach die letzten Meter hinein in den Ort geht.

Nächtigung im „Residence, ristaurante Le Terazze (0881 559170)“, ca. 1 km etwas unterhalb des Ortes auf der Straße Richtung San Severo (SP6)

Weg San Cristoforo – Castelnuovo de Daunia: ca. 17 km. Schöne Wanderung durch Wald und Wiesen.  Zuerst viele Waldwege, dann gemischt Schotter und Asphalt.

Tag 8: Castelnuovo de Daunia – Santa Maria di Stignano (Auto) – San Giovanni Rotondo (zu Fuß)

Die lange flache Ebene mit den Straßenwanderungen überspringen wir großzügig mit dem Taxi (war gar nicht leicht ein Verkehrsmittel aufzutreiben. Die Busverbindung nach Foggia ist sehr spärlich (1 mal täglich und das sehr bald in der Früh) und mit Hilfe der Wirtsleute konnten wir eine Fahrgelegenheit aus San Severo auftreiben. Somit starteten wir bei der Klosterkirche Santa Maria die Stignano. Von hier geht es mühsam aufwärts auf der doch stark befahrenen Straße nach San Marco in Lamis. Obwohl es ein landschaftlich schönes Stück wäre, ist der Weg zwischen den Autos auf der einen Seite und dem Müll am Straßenrand eingeengt. Falls wer bedarf an alten Kühlschränken hätte, dort gibt es sie in Hülle und Fülle. Wir sind froh, als nach ca. 5 km die ersten Häuser von San Marco in Lamis auftauchen. Am Ortseingang ein eher betrübliches Bild aufgrund der herabgekommenen Hauser. Das ändert sich jedoch schlagartig nach der ersten Straßenbiegung. Da sind wir mitten in einem riesigen Wochenmarkt mit einem Treiben wie in einer Großstadt. Von lokale Produkten – vor allem Fleisch, Wurst, Käse, Obst und Gemüse – bis hin zum Jahresbedarf an Unterwäsche bekommt man so alles, was das Herz mehr oder weniger begehrt. Ein kurzer Zwischenstopp in einer Bar zum Auftanken kommt da gerade recht, bevor wir weiter bergauf zum Franziskanerkloster San Matteo wandern. Auch hier zuerst auf der stark befahrenen Staatsstraße. Dann kommen links breite Treppen hinauf zum Kloster. Die nehmen wir natürlich, müssen jedoch oben feststellen, dass alle Weiterwege zum Eingang des Klosters versperrt sind. Bei einem großen automatischen Tor wollen wir gerade drüberklettern, als sich das Tor überraschenderweise selbst öffnet. Anscheinend hat uns die Videoüberwachung aufs Korn genommen hat und ein Pater das Tor ferngesteuert geöffnet. Fußpilger sind halt doch nicht so die norm in Süditalien. Wir erreichen die Pforte kurz vor Mittag und können gerade noch einen Blick ins Innere des Klosters werfen, bevor uns ein Padre freundlich erklärt, dass nun Mittagspause ist und wir in zwei Stunden wieder kommen könnten. Wir ziehen eine Mittagspause in der ca. 1 km entfernten Pizzeria Edera vor – auch wenn die im Talschluss etwas abseits unserer weiteren Route liegt. Nach einem köstlichen Mal geht es zurück zum Kloster und weite – die Padres kontemplieren noch – bis zu einer Abzweigung, dort führt eine breite Treppe etliche Stufen hinauf. Der Weg ist hier wieder mit einem gelben Tau bezeichnet. Die Wegweisung führt jedoch gleich wieder hinunter zur Straße und entlang dieser nach San Giovanni Rotondo. Wir entscheiden uns jedoch für die etwas beschwerlichere – jedoch weitaus schönere Variante – hinauf auf den Monte Celano (ca. 200 hm). Das Wetter ist schön und die Sicht noch schöner. Nun ziemlich genau ostwärts einem Pfad folgend auf der Hochebene des Celano über Almwiesen weiter. Bei markanten Antennen rechts haltend. Es gibt zwar etliche Wegzeichen und Angaben, jedoch keine die direkt den Weg hinunter nach San Giovanni Rotondo anzeigen würde. Aber die Richtung stimmt und man sieht bald unten im Tal die doch relativ große Stadt des Padre Piu liegen. Der Abstieg führt durch Kiefernwälder. Etliche Abzweigungen lassen einen etwas ratlos zurück, jedoch alle Wege führen in diesem Fall nach San Giovanni Rotondo – mehr oder weniger geradlinig. Nach ca. 1.5 bis zwei Stunden marsch (vom Kloster San Matteo) erreichen wir San Giovanni Rotondo bei Parkhäusern für Busse, wo die Pilgermassen zum Grab von Padre Pio strömen. Diesem Strom folgen wir bis zur Chiesa Vecchia di Santa Maria delle Grazie. Nach eine kurzen Andacht gehen wir weiter zu unserem Herbergsort, dem Gästehaus der Kapuzinerschwestern Sacro Cure. Die einfachen Zimmer sind sauber, aber leider auch aufgrund der zentralen Lage laut.

Weg: Santa Maria di Stignano  –  San Marco in Lamis stark befahrene Asphaltstraße, entlang deren es keine Ausweichmöglichkeit gibt. Vom Kloster San Matteo nach San Giovanni Rotondo über den Mt. Celo sehr schön und empfehlenswert; durchwegs sehr schöne Wanderwege durch Wald und über Almen. In Summe ca. 18 km Fußweg, 600 hm hinauf und 300 hm runter.

Tag 9: San Giovanni Rotondo – Monte San Angelo

Nachdem wir noch unbedingt die Chiesa di San Pio da Pietrelcina, den Monumentalbau über der Grabesstätte von Padre Pio sehen wollen und zudem der Vormittag sehr gewittrig mit etlichen Regengüssen ist, verbringen wir diese Zeit mit dem Besuch dieses imposanten Bauwerks. Trotz der enormen Größe fügt sich dieses architektonische Meisterwerk sehr gut in die Umgebung und wirkt absolut nicht protzig, die Holzbogenkonstruktion im Inneren lässt es filigran und leicht erscheinen.

Zu Mittag geht es weiter. Nachdem die nächsten 14 km wiederum ausschließlich Asphalt unter den Füßen bedeuten würden, nehmen wir den Bus bis zu Abzweigung Bosco Quarto (bei km 46,5). Obwohl in der Gegend keine Bushaltestelle ist, können wir den Busfahrer überzeugen uns dort rauszulassen. Hier geht es rechts hinauf (Wegweiser für Radpilger). Bei einem CAI Schild kann man entweder weglos über die Weide hinauf auf einen Bergrücken oder – besser – der Schotterstraße gemütlich ansteigend und den ersten Abzweiger links (Richtung Osten) folgen. Zweitem ist der Vorzug zu geben. Oben angelangt geht die Straße in einen Feldweg über und führt ostwärts zum Monte degli Angeli. Gleich Unterhalb ist das Meer und etwas weiter weg Manfredonia zu erkennen. Da Kirchlein Madonna degli Angeli lädt zu einer letzten Rast ein, bevor in 20 Minuten das Ziel der Pilgerreise der Michaelsgrotten am Monte San Angelo erreicht wird.

Nächtigung: Das Hotel Casa del Pellegrino ist sehr zu empfehlen, liegt es doch in unmittelbarer Nähe der Kirche.

Weg: Ab der Abzweigung bei km 46.5 ein würdiger Abschluss dieses herrlichen Pilgerweges. Schotterstraßen wechseln sich mit Graswegen ab. Der Anstieg ist gemütlich und dann geht es oben mit einem herrlichen Weitblick dem Ziel entgegen.

 

Hinweise:

Anreise: Rom – Sulmona mit Bahn

Rückreise: Monte Sant’Angelo – Manfredonia -Foggia per Bus

Literatur:

Angela Maria Seracchioli: Der Erzengel-Michael-Weg; Tyrolia Verlag; ISBN 987-3-7022-3427-0

Internet: http://www.sutterer.eu/cammino/2016/index.html

Stand: 2017-07

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